Modetänze
Unter der Rubrik "Modetänze" sind die Gesellschaftstänze zusammengefasst, die nicht im tänzerischen Pflichtprogramm standardisiert sind und die einem schnellen Wandel unterworfen sind. Modetänze entstehen spontan aus der Musik heraus, sind Spiegel ihrer Epoche und Dokument des aktuellen Zeitgeistes. Nicht selten setzen sich Modetänze über zu starr empfundene Normen hinweg und brechen gesellschaftliche Tabus.
Die modernen Tänze kamen zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus den USA und aus Südamerika. 1889 entstand mit dem Washington Post March des amerikanischen Kapellmeisters John Philip Sousa der Twostep im Sechsachteltakt mit schnellen Steppschritten und Hüpfern. Der Ragtime, dessen Wurzeln in der Musik der schwarzen Amerikaner liegen, entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Seine lebendigen Synkopen führten zwischen 1911 und 1915 zur Entstehung von witzigen Tänzen, bei denen Tiere nachgeahmt wurden. In dieser Zeit war aber auch der Tango sehr beliebt.
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Bossa Nova |
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Polka |
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Rheinländer |
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In den drastischen Veränderungen der Tanzstile spiegelten sich die gesellschaftlichen Umbrüche wider. Die Tänze der ersten zwei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, wie der Charleston, entsprachen der Euphorie der Zeit nach dem 1. Weltkrieg. In den dreißiger Jahren entstand eine neue Musikform, der Swing. Er wurde von Jazzmusikern wie Benny Goodman und ihren Big Bands gespielt. In der Zeit der wirtschaftlichen Depression hatten aufwendige Tanzfilme von Regisseuren wie Busby Berkeley und die Filme mit Fred Astaire und Ginger Rogers Hochkonjunktur. Auf Swingmusik tanzten die Jugendlichen den Jitterbug, einen Ableger des Lindy Hop von 1927. Der Foxtrott, ein schneller Tanz mit Gehschritten, der etwa 1913 entstanden war, wurde in einer langsameren, fließenden Form wieder belebt. Auf der Weltausstellung von 1939 spielte im brasilianischen Pavillon ein Samba-Orchester. Daraus entstand bald eine Welle der Begeisterung für Tänze in der Art der Rumba, des Mambo, des Cha-Cha-Cha und des Conga.
Mitte der fünfziger Jahre wurde der Rock'n'Roll in den USA zu einer nationalen Erscheinung. Elvis Presley begeisterte das Publikum mit seinem legendären Hüftschwung, und als Bill Haley mit seiner Gruppe The Comets in dem Film "Rock Around the Clock" auftrat, war eine neue Welle der Tanzbegeisterung geboren. In dieser Zeit fand ein grundlegender Umbruch der amerikanischen Gesellschaft statt, der im folgenden Jahrzehnt mit der Bürgerrechtsbewegung, dem Protest gegen den Vietnamkrieg und Ereignissen wie dem berühmten Musikfestival in Woodstock im Bundesstaat New York 1969 seinen Ausdruck fand. 1960 führte der Rockmusiker Chubby Checker den Twist ein, der mit seiner Verdrehung von Hüfte und Oberkörper der körperliche Ausdruck für die ignorante Haltung der jungen Generation war.
Der Paartanz tauchte in den siebziger Jahren wieder verstärkt auf, beispielsweise mit dem Hustle und anderen Tänzen, die alle kompliziert choreographiert waren und auf Discomusik getanzt wurden. Neben der Discobewegung, die in den siebziger und achtziger Jahren vorherrschend war, brachte die Punkrockbewegung das Slam Dancing sowie Mitte der achtziger Jahre den akrobatischen Breakdance, der meist von einem einzelnen Tänzer ausgeführt wird. Die neunziger Jahre sind bestimmt vom Aufkommen des Techno-Kults. Gleichzeitig wurde in einer nostalgischen Bewegung der Big-Band-Sound wiederbelebt, und Foxtrott, Walzer und Jitterbug kamen wieder in Mode.
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